11. September 2023: 50 Jahre faschistischer Putsch in Chile

Den Jüngeren unter uns ist das Datum 11. September in Erinnerung mit dem verheerenden Al-Qaida – Angriff auf die Twin Towers, das Pentagon und weitere Ziele in den USA im Jahr 2001.Wie bei all solchen Aktionen kamen vor allem “unschuldige” Menschen ums Leben. (Wir setzen die Anführungszeichen aus Gründen, weil wir damit rhetorisch die abstarkte Frage stellen, inwieweit wir Menschen im Kapitalismus an all dem Elend und all der Zerstöruzng weltweit als Steigbügelhalter dieses Systems nicht an all dem mitschuld sind). Doch heute wollen wir an den 50. Jahrestag des faschistischen Putsches in Chile erinnern, dem in den siebzehn folgenden Jahren der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet 3.200 Menschen verschwanden oder ermordet wurden, 80.000 inhaftiert wurden und 200.000 aus politischen Gründen aus ihrer Heimat fliehen mussten. Hauptverantworlich für diesen Putsch waren eindeutig die USA unter Präsident Nixon und dessen Berater und späteren Außenminister Henry Kissinger. Beide waren auch für den völkerrechtswidrigen Bombenangriff auf das seinerzeit noch neutrale Kambotscha verantwortlich. Dass Jahre später Henry Kissinger, nachweisbar ein fürchterlicher Kriegsverbrecher, den Friedensnobelpreis erhielt, bleibt bis heute einfach ein Hohn und Schlag ins Gesicht der tausenden von Opfern seiner “pragmatischen Politik”. Langfristig geplant und durch die CIA unterstützt, putschten heute vor 50 Jahren die konservativ-reaktionären Teile des Militärs, griffen den Präsidentschaftspalast mit Flugzeugen und Helikoptern an. Nach einer letzten Rede an “sein Volk” erschoss sich Präsident Salvatore Allende. Der erneute Versuch einen freiheitlichen demokratischen Sozialismus aufzubauen scheiterte analog 1968 in Prag an hegemonialen Großmachtinteressen.

Ich erinnere mich noch sehr genau, wie fassungslos wir an diesen Tagen waren. Zwar gab es für eine reaktionäre Konterrevolution in Chile bereits viele Hinweise, dennoch machte das, was am 11.9.1973 geschah uns traurig und unendlich wütend. Erneut hatten die USA gezeigt, dass sie keine Scheu haben ihre imperialistische und mörderische Politik international weiterzubegehen. Und auch hierzulande erhielten die neuen chilenischen Machthaber und die dahinter stehende US-Geheimdienstpolitik seitens der Rechten ihre Unterstützung. Wenn Menschenverachtung Namen tragen würde, dann wären dies in Deutschland sicherlich der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) und CDU-Generalsekretär Bruno Heck. Strauß begrüßte die Errichtung der Militärdiktatur in Chile mit den Worten: „Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang.“ (Bayernkurier, 22. September 1973). Und nach einer Reise nach Chile verkündete der damalige CDU-Generalsekretär Bruno Heck als Zeichen der Solidarität mit den Putschisten auf die Frage nach Berichten, denen zufolge das Nationalstadion in Santiago unter Pinochet in ein Gefangenen- und Folterlager verwandelt worden sei am 18. Oktober 1973 in der Süddeutschen Zeitung den berüchtigten Satz: „Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm.“ In Südamerika lebende Alt-Nazis und deren Familien begrüßten das faschistische Morden ebenso wie Teile der deutschen Wirtschaft, deren Export nach Chile um über 40% stieg. Geprägt durch die neoliberale Ökonomie der “Chicago Boys” und Milton Friedmans wurde Chile zum Musterbeispiel der späteren neoliberalen Politik Reagans und Thatchers. Große Teile der Ökonomie und staatlicher Dienste wurden privatisiert. Unter Allende erfolgte Rückgaben ehemals indigener Gebiete an die Mapuche wurden revidiert und Mapuche kriminalisiert, verfolgt, verhaftet und ermordet. Und Deutschland mit seiner eigenen jungen faschistischen Vergangenheit schwieg oder klatschte Beifall, unterstützt das neue Regime sogar (siehe Colonia Dignidad und u.a. die Zusammenarbeit von CD und BND).

Plakat von Klaus Staeck, 1973

In deutschen Großstädten demonstrierten linke Gruppen und “Ditte Welt”-Gruppen, Menschenrechtsorganisationen sowie engagierte kirchliche Gruppen und zeigten “Solidarität mit Chile”. Wir gossen unsere ganze antiimperialistische und antifaschistische Wut in Parolen wie “MIR, MIR, Fedajin, Tupamaros, Vietkong”. Das klang mit tausenden Stimmen dann in den gerade entstehenden Hochhausvierteln Frankfurts zwar sehr mächtig, war aber pure Ohnmacht. Und Strauß und Heck für ihre zynischen Kommentare nicht nur verbal anzugreifen getrauten wir uns zur Zeit der beginnenden RAF-Hysterie in diesem Land nicht.

Heute, 50 Jahre danach, spüren einige von uns immer noch die enorme Wut über diesen Putsch und eine historisch zerstörte Chance für die Entwicklung eines nicht-kapitalistischen, freiheitlich-demokratisch-meschlichen Sozialismus in Süd-Amerika, einer Gesellschaftsform, in der auch Indigene wieder mitbedacht und anerkannt wurden. Die Strauß und Heck von damals heißen heute Aiwanger, Söder usw., Teile der Bevölkerung klatschen wieder und die deutsche Wirtschaft zeigte bei der Wahl Bolsenaros wieder große Freude ob der erhofften “big deals”. Nix dazu gelernt in diesem Deutschland der ewigen Rechten.

Wir erinnern an dieser Stelle auch an den unvergessenen chilenischen Sänger Victor Jara. Jara wurde am 12.9.1973 mit vielen Dozent*innen und Studierenden in das Stadion von Santiago de Chile verschleppt, wo er von einem Offizier erkannt und darauf hin gefoltert wurde. Seine Peiniger brachen ihm dann später noch die Hände, damit er nicht mehr Gitarre spielen konnte. Auf die hämische Aufforderung von Soldaten, er solle doch singen, er sei doch schließlich ein Sänger, erhob Víctor Jara am 16. September 1973 noch einmal seine Stimme, um das Lied der Unidad Popular “Venceremos – „Wir werden siegen“, anzustimmen. Daraufhin wurde er zusammengeschlagen und schließlich mit mindestens 44 Schüssen aus Maschinengewehren getötet – im Stadion von Santiago de Chile.

https://www.deutschlandfunk.de/ex-militaers-50-jahre-nach-dem-mord-am-saenger-victor-jara-verurteilt-100.html

https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%ADctor_Jara

Por el derecho a vivir en paz, libertad y justicia – en memoria de Víctor Jara, Salvatore Allende, todas las víctimas del golpe, en solidaridad con los que luchan hoy y los pueblos indígenas de Chile …la lucha continúa

mehr Infos:

in der TAZ vom 8.9.2023 war eine lesenswerte 11seitige Beilage, in der es u.a. auch Artikel zum indigenen Widerstand der Mapuche sowie anderer indigener Aktivist*innen gibt

Veranstaltung am 19.9. um 19:00 Uhr Haus am Dom, Frankfurt am Main, Domplatz 3

Chile-Solidaritäts- und Liederabend ins Haus am Dom: Venceremos! Víctor Jara Vive! Liederabend
Anlässlich des 50. Jahrestages des faschistischen Putsches in Chile im September 1973 erinnern Amanda Jara und die Musikerin Yolanda de Palma an das Leben und künstlerische Schaffen von Víctor Jara (1932 – 1973), Amandas Vater. Der legendäre Folksänger, Theaterregisseur und Kommunist unterstützte mit seiner Musik den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Am 16. September 1973 wurde Jara im Estadio Chile – das heute seinen Namen trägt – gefoltert und ermordet. Pinochets Mördern gelang es allerdings nicht, die Erinnerung an Víctor Jara auszulöschen. Seine Lieder sind noch immer und nicht nur in Chile sehr lebendig.Im Anschluss an die Lieder werden die beiden Künstlerinnen zu ihrem Werken und den politischen Hintergrund in einem Gespräch berichten.Moderation: Claus-Jürgen Göpfert, Journalist
Die Veranstaltung wird von der der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen in Kooperation mit dem Haus am Dom organisiert.
Der Eintritt ist frei.Kontakt: hessen@rosalux.de

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