Von der Initiativgruppe zum Verein. 22 Jahre TOKATA-LPSG RheinMain e. V.

Es war am 4. August 2000 spät abends am Ufer des South Saskatchewan Rivers bei Saskatoon,/Kanada, als Claudia Weigmann-Koch und Michael Koch zu einer Entscheidung kamen, deren Tragweite beiden so nicht klar war. Beide waren am Ende einer Reise, die Michael von Claudia zu seiner bestandenen Promotion geschenkt bekam und die tief in die Natur Saskatchewans und zu Begegnungen mit First Nation People führte. An den beiden letzten Tagen zuvor hatten sie erste Kontakte mit Schwarzbären und Wölfen, wanderten nachts endlos staunend unter der Lightshow der Polar Lights, fuhren viele Kilometer mit der Fähre über den Wollaston Lake und danach auf der Geröllpiste durch brennende boreale Wälder Richtung Stadt. Und nun am 4.8.2000 wenige Stunden zuvor, gerade nach dreiwöchigem back country – Aufenthalt in Saskatoon angekommen, fanden beide bei einem alternativen Streetfestival in einer Bücherei ein Flugblatt, dass zur Unterstützung der angelaufene Begnadigungskampagne für den indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier aufrief.

Ja, da war doch etwas. Leonard Peltier, der im August 2000 fünfundvierzig Jahre alt war, von denen er bereits 24 Jahre inhaftiert war – Fall und Schicksal Peltiers waren uns nicht unbekannt. Nun holte uns aber dieses Unrecht mit einem Paukenschlag ein: das an Leonard Peltier begangene Unrecht, dass an den Native Americans begangene historische und gegenwärtige Unrecht, das überhaupt an den Indigenen im Namen von Kolonialismus, Rassismus, Ausbeutung, Profitgier begangene weltweite Unrecht. Erste Gedanken, sich in Deutschland einer bestehenden Organisation, z.B. Amnesty International oder Gesellschaft für bedrohte Völker- anzuschließen, wurden verworfen. Bei aller Professionalität und allem Image dieser Gruppen erschienen uns diese Organisationen zu schwerfällig. Wir befürchteten zu lange Abstimmungsprozesse, zu viele Hemmnisse als Neulinge, zu viele Egos in einer Situation, in der Egos keinen Raum haben sollten. Für Leonard the time was running. Das dachten wir bereits vor 22 Jahren.

In Abstimmung mit dem damaligen LPDC in Lawrence/Kansas entstand somit die Leonard Peltier Support Group Rhein Main (LPSG RheinMain) als Initiativgruppe. Und wir begannen sofort mit einer weltweiten Email-Aktion, an der gegen Jahresende zehntausende Menschen weltweit teilnahmen. Wir kamen somit auch immer mehr in Kontakt mit Indigenen. Berits im Dezember 2000 veranstalteten wir das erste Konzert mit der Navajo-Punkband BLACKFIRE und organiserten eine Mahnqache vor dem US-Generalkonsulat in Frankfurt am Main. Im Mai 2001 tourten wir mit Leonard Peltiers Cousin James “Jim” Robideau durch Deutschland und starteten dabei nebenbei die Idee einer Kooperation indigener-deutscher Jugendkulturprojekte. Und wir hielten bereits 15Jahre vor Erscheinen unseres Buches “Ein Leben für die Freiheit -Leonard Peltier und der indianische Widerstand” (Autoren: Michael Koch/Michael Schiffmann, TraumFänger Verlag, 2016/überarbeitete und ergänzte Zweitauflage 2017) landauf, landab Vorträge zu Leonard Peltier, Robert “Standing Deer” Wilson und Mumia Abu-Jamal. 2004 gründeten Claudia und Michael parallel den Verein “Tokata. Verein zur Unterstützung indianischer Jugend-, Kultur- und Menschenrechtsprojekte, um so ein breiteres Publikum zu erreichen. Unter dem Titel der Initiative LPSG waren wir vielen an indigenen Belangen Interessierten zu politisch und zu radikal. Außerdem wollten wir unser Aktionsfeld zur Unterstützung indigener Anliegen erweitern und hofften dabei auch auf mehr Hilfe und Spenden. 2008 fusionierten dann Initiative und Verein. Und mit einer neuen Satzung, die im Frühjahr 2022 verabschiedet wurde, nennt sich der Verein aktuell: Tokata-LPSG RheinMain. Verein zur Unterstützung indigener Sozial-, Kultur-, Umwelt- und Menschenrechtsprojekte & Leonard Peltier Support Group RheinMain e. V.

Wer sich unsere Jahresberichte, unsere Aktivitäten, unsere Netzwerkarbeit heute anschaut wird sich erstaunt die Augen reiben. Unser Verein ist immer noch recht klein. Klein, aber Oho. Im Osten, Nordwesten, Norden und im RheinMain-Gebiet gibt es regionale Unterstützergruppen. Eingebunden in der EUOPEAN ALLIANCE FOR THE SELF DETERMINATION OF INDIGENOUS PEOPLES und zahlreichen anderen Kooperationsbündnissen konnten wir eine Netzwerkarbeit ausbauen, die versucht möglichst effektiv zu arbeiten. Öffentlichkeitsarbeit, gemeinsame Projekte, Spendenakquise für indigene Projekte (seit 2001 haben wir indigene Projekte und den Kampf Peltiers um Recht und Freiheit mit ca. 200.000 US-$ unterstützen können)sowie die Ausweitung des Engagements auch für indigene Anliegen in Mittel- und Südamerika und die Verknüpfung dieser Vereinsanliegen mit anderen aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen (Klima/Umwelt, soziale Frage/Ausbeutung von Mensch und Natur, Unterdrückung/Kolonialisierung/Zunahme despotischer Staatsformen) binden uns einerseits immer stärker in gesamtgesellschaftliche Diskurse und Auseinandersetzungen ein, tragen andererseits aber dazu bei, indigene Belange und den Kampf für Leonard Peltier nicht unerheblich breiter bekannt zu machen.

4. August 2022 – nur eine kleine Zwischenbilanz in einem anhaltenden Kampf für indigene Rechte und Leonard Peltiers Freiheit. Wir danken all jenen, die uns immer wieder unterstützen: durch ihre Vereinsmitgliedschaft, ihre Teilnahme an unseren Aktionen, ihren Besuch unserer Veranstaltungen, durch Spenden und durch aufbauende Briefe und Emails.

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